Bonsai hilft

von Claudia Käfer

Eine getrennt lebende Mutter berichtet wie sehr sie darunter leidet, dass ihr achtjähriger beim Vater in einer anderen Stadt lebender Sohn aufgrund der ständigen Beeinflussung des durch die Scheidung narzisstisch gekränkten Vaters jeglichen offiziellen Kontakt zu ihr verweigern müsse, weil er vom Vater massiv unter Druck gesetzt werde. Aus Liebe zu ihrem Kind möchte sich die Mutter nun fern halten, da sie den Loyalitätskonflikt des Kindes nicht verstärken wolle…
Ihre Freundin, die Klassenlehrerein des Buben, berichte ihr nun aber, der Junge erkundige sich in der Schule ständig nach dem Befinden seiner Mutter und erklärte der Lehrerin mehrfach, er wolle sich auch um die Mutter kümmern, aber der Vater verweigere ihm dies und reagiere sehr zornig, wenn er den Wunsch äußere, auch seine Mutter sehen zu wollen…
Die Frage nach einem heimlich von der Lehrerin arrangierten Treffen, das der Mutter zweifelsfrei rechtlich zugestanden hätte, denn der Richter hatte die Kinder geteilt, Tochter zur Mutter und Sohn zum Vater mit einer 14-tägigen Besuchsregelung am Wochenende, wurde schnell von der Mutter wieder verworfen.
Mehre Gespräche drehten sich im Kreis und wie schon so manches Mal stellte ich zum nächsten Gespräch einen kleinen Bonsai auf den Tisch, der sich in meiner Gesprächsecke in der Praxis befindet und schon so manchen Impuls gab.
Die Mutter bemerkte als Floristin die Veränderung sofort. Das Thema veränderte sich und wir sprachen über die Wurzeln, die etwas wachsen und gedeihen lassen. Sie stellte fest, dass die Wurzeln die ihre Liebe zu ihrem Sohn in den ersten Jahren seines Lebens hatte wachsen lassen, sicherlich noch vorhanden sind, auch wenn sie gerade zu seinem Wohle keinen Kontakt zu ihm pflegen konnte. Sie fasste zum ersten mal Vertrauen in die Grundlegung ihrer Mutter-Sohn-Beziehung. Am Ende der Stunde hatten wir eine vorläufige Lösung gefunden: Sie wollte ihrem Sohn über die Lehrerin einen kleinen Bonsai schenken, den er in der Schule pflegen konnte und von dem er wusste, dass dieser ein Geschenk seiner Mutter war.
Laut Berichten der Lehrerin war der Junge sehr erfreut und pflegte das Bäumchen mit viel Liebe.


Dipl.-Soz.Päd.(FH)Dipl.Päd. Claudia Käfer
Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin
Balingen


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