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Der Feuerlöscher
von Heike Maria Florian
„Spielst du den Krankenwagen? Ich bin die Polizei!“,
schlägt mein kleiner Patient vor und reiht einige Polizisten in seiner
Polizeistation nebeneinander. „Wir haben einen Einsatz! Es brennt!“ Mit
Bedacht lässt er die Polizisten in das Polizeiauto steigen, aktiviert
das Blaulicht und fährt zum Einsatzort.
Mein Krankenwagen wird von mir eingerichtet und folgt ihm. Ein Wohnhaus
brennt. Ich zögere noch, weil ich unsicher bin, wie ich am besten helfen
kann, da kommt vom Patienten der Hinweis: „Du hast einen Feuerlöscher
im Krankenwagen!“ Also holt mein Sanitäter den Feuerlöscher und beginnt
den Brand zu löschen. „Nein!! Doch nicht unten! Es brennt oben!!“, erklingt
heftiger Protest und sogleich nimmt der Polizist die Löscharbeit selbst
in die Hand. Das hätte ich wissen können, denke ich und mir fallen die
vernünftigen Bemerkungen des Patienten ein, als er von einem Streit erzählte:
„Ich finde es blöd, dass er immer Recht haben will!“ Dieser Kommentar
ist leergefegt von Empörung, Wut und Verzweiflung dem Erwachsnen gegenüber,
der ihn nicht mit seinen berechtigten Wünschen wahrnehmen konnte.
Es „brennt“ nicht im Körper, sondern „nur“ noch im Kopf, als der kleine
Patient seine Erinnerungen und Erkenntnisse mit mir teilt. Was passiert,
wenn der Brand auf andere Stockwerke übergreift…?! Aber mein Patient weiß,
dass es jemanden gibt, der den Feuerlöscher hat und der Verletzungen gut
versorgen kann. Die Polizei eilt zum Unfallort, sichtet das Unglück, ordnet,
weiß Rat, bestraft und veranlasst ärztlichen Beistand.
Dies ist nicht selten die Rolle, die Kinder im Elternhaus übernehmen,
um zu retten, was in Gefahr ist. Im Rollenspiel spielen sie Erwachsensein
und lernen im Therapiezimmer, aus dieser Rolle wieder herauszutreten und
in ihr Kindsein zurückzukehren.
Heike Maria Florian
Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin
Bremen
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