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„Noch nie mein Ding“
von Christel Heydenreich
„Noch nie mein Ding“ – es hatte in der ersten, sehr
kleinen Praxis weder Stellenwert noch Stellplatz. Zunächst. Einen Minikicker
gab es schon. Sporadisch benutzt, war der wichtig geworden für ein kleines
Mädchen, das unter Zwängen litt: Kinn vor, Zähne zusammen, krampfhaft
die Fäuste geballt, bloß keine Freude zeigen über ein Tor, sonst schießt
gleich die Frau H. eins und das wäre schrecklich …. Später keck und siegesgewiss,
ein Tor einstecken? - halb so schlimm, ich kann’s ja und die Frau H. weiß
das – ihr Gesicht strahlte vor Spielfreude. 10- und 12-jährige Buben wandten
sich rasch vom Kinderkicker ab, suchten Geeigneteres. Dann kam ein 16-Jähriger,
hoch gewachsen, schwer und schwermütig, jeglicher Anforderung passiv trotzend.
Tischfußball war eins der wenigen Dinge, die ihn begeisterten.
Er faltete sich vor dem Mini-Spiel zusammen und rackerte sich unverdrossen
daran ab. Und er brachte seiner Therapeutin Regeln bei - oberstes Gebot:
Du sollst nicht kurbeln, plausibel erklärt. - Was, schon wieder? Torabzug.
- Wenn ich’s aber nicht anders kann? - Das kann man lernen! - Wer hat
das gesagt und wer musste sich nun abmühen, gesteuert zu zielen statt
kopflos wirbelnd abzuwehren? Wer musste dem bequemen Sog erklärter Unfähigkeit
widerstehen, ungewohnte Strukturen erringen? Als der letzte schlecht geklebte
Plastikkopf des Kinderkickers dahin war, wurde der Wunsch nach einem großen
Tischfußballgerät zum Bedürfnis. Der sichere Rahmen gibt ein Feld frei,
groß genug für ein dynamisches Spiel. Aus festem Holz gedrechselte Spieler
überleben harte Ballschläge, nur mit Kratzern im Lack. Stabilität, Breite
und Höhe erlauben einen aufrechten Stand und genügend Luft zwischen den
Akteuren.
Kurz hin und rüber schauen, sich was wünschen – eine ganze Stunde 10:0
gewinnen, muss das schön sein – der Wunsch des inzwischen jungen Mannes
blieb unerfüllt, zuviel hatte er in der therapeutischen Beziehung schon
erreicht. Im Außen hatte er ein neues Feld gefunden, um hohen, aber erreichbaren
Anforderungen standzuhalten, aber das ist eine andere Geschichte …
Christel Heydenreich
Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin
Weil im Schönbuch
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